DIE AUSGESPERRTEN GEDICHTE

zur Lesung in der Ausstellung "Ursprünge", bei EWA e.V.

Mit Gedichten ist das so eine Sache. Nicht jeder mag welche. Und heutzutage, so höre ich oft, drücken sich die Leute angeblich eher davor, welche zu lesen.
Natürlich mag unter denen, die überhaupt welche mögen, wiederum nicht jeder jedes Gedicht. Außerdem gibt es inzwischen Poetryslam.
Und dann sind da die Menschen, die Gedichte schreiben: Vielleicht gibt es überhaupt mehr davon, als von denen, die welche lesen... Einigen von ihnen gelingt es, daß andere Menschen freiwillig lesen, was sie schreiben! Die Rede ist nicht von Gedichten, die in der Schule gelesen werden müssen. Sondern, wo andere es freiwillig und Lust auf sich nehmen, sich damit zu beschäftigen. Manchen ist es wichtig, den geschätzten Dichter oder die Dichterin einmal persönlich zu erleben, falls es sich dabei um ein noch lebendes Exemplar handelt. Beim Poestryslam ist das in der Regel möglich. Hier entscheidet wohl auch vorallem die Art des Vortrages, was bei den Zuhörern ankommt. Da gibt es mittlerweile richtige Stars in der Szene!

Natürlich wünschen sich diejenigen, die schreiben, immer, daß jemand schätzt, was sie tun. Träumen vielleicht davon, daß jemand anderes als sie selbst mit ihrem Erzeugnis herumgeht und davon beseelt ist. Wie man selber - von Rilke, von Jandl, Heine, Morgenstern, A. Latzina...

So ein Gedicht ist ein Angebot. Wer möchte liest es und wer will, hört es auch, lässt es sich also "aufsagen" oder auch "vorlesen". Es gibt welche, die Geld bezahlen, um sich Gedichte vorlesen oder vortragen zu lassen. Andere Verrückte geben Geld aus, um welche nach Hause mit zu nehmen, in einem Buch oder auf einem "Tonträger". Dies gehört alles zur geschäftlichen Seite, wo es besonders für den Autor, die Autorin existenziell wichtig wird.
Geschafft haben es in der Regel die Dichter, so heißt es, wenn die Verlage dahinter stehen. Die also damit einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen. Vielleicht haben sie auch schon Ehrungen und Preise erhalten für ihre Werke. So wie Herr Tranströmer aus Schweden, im vergangenen Jahr, 2011. Welch schöne Geste, einen Dichter mit dem Nobelpreis zu ehren!

Auch mir ist es natürlich eine Freude und Ehre, wenn Andere sich auf das von mir Geschriebene beziehen. Sei es mit ihrer Aufmerksamkeit, ihrer Musik oder mit ihren Illustrationen, so schönen, wie sie in der Ausstellung mit den Druckgrafikfrauen zu sehen sind!
Für mich ist es dann wie eine weitere Sichtbarmachung des Geschriebenen. Natürlich bestimmt und geprägt durch die hier schaffende Person, durch deren Technik und Ausführung etwas Neues, Eigenes entsteht. Und auch durch ihre eigene, ganz persönliche Sicht auf das Thema. Aber, es gibt diesen Bezug - zum Gedicht eben. Das empfinde ich als sehr ermutigend. Denn es ist auch ein Dialog, ein Aufeinanderbezogensein. Eben weil so oft behauptet wird: Gedichte werden nicht mehr gelesen. Das verkauft sich nicht. Damit rechnet es sich auch nicht. Doch was wir hier erleben, ist: Es wurde gelesen, es regte an und erfreut jetzt die Schauenden - unabhängig vom Umstand des sich Rechnens...

Dezember 2011, Berlin